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Bildhauer der mittleren Generation

Unter den Bildhauern der jetzt mittleren Generation, die im norddeutschen Raum wirken, nimmt für mich Thomas Jastram einen besonderen Rang ein. Während der jüngsten zwei Jahrzehnte, die ich sein Schaffen mit immer noch wachsender Sympathie verfolge, hat sich der Kanon seines artifiziellen Ausdrucksvermögens gleichsam in der Weise gefestigt und entfaltet, dass man seit längerem von einer unverwechselbaren ästhetischen Handschrift sprechen darf. Wenn ein Bildkünstler dieses Niveau erreicht hat, befindet er sich allemal auf dem rechten Weg, der freilich stets auch neue Chancen weiterer Entdeckungen, Findungen und Erfindungen in sich trägt, denke ich, und bei Thomas Jastram bin ich mir sicher, dass er sie nach besten Kräften nutzt.

Tine und ThomasWas er indessen an eigenen plastischen und zeichnerischen Hervorbringungen in der Mitte seines vierten Lebensjahrzehnts vorweist, kann sich getrost sehen lassen und findet über seine angestammte Region Mecklenburg weit hinaus mit gutem Recht Beachtung und Resonanz. Das gilt sowohl für seine großfigurigen Arbeiten im öffentlichen Freiraum, so in Rostock, Schwerin, Neubrandenburg und Pomellen, darunter Akte, Gewandfiguren, Pferd und Reiter, als auch für das stattliche Arsenal seiner Porträts, die niemals vordergründige fotografische Ähnlichkeit suggerieren, sondern jeweils die subjektive Spiegelung des charakteristischen Wesens der Persönlichkeit anstreben. Eine dritte Konstante betrifft die Vielfalt seiner kleinplastischen Arbeiten. Auch hier dominiert die Gestalt des Menschen in den elementaren Grundgesten seines Daseins: zumeist unbekleidete Stehende, Schreitende, Sitzende, Liegende, daneben Torsi, die das Sinnliche körperlicher Details bewusst machen, seltener Statuetten, manchmal im Barlachschen Sinne »auswendig« erfasst und modelliert sowie bisweilen mit dem Anflug hintergründiger Heiterkeit ausgestattet, nicht zuletzt mehrteilige Arbeiten, die etwa das uralte und dennoch unerschöpfliche klassische Motiv Pferd und Wagen auf originäre Art variieren.

Auch mit der Physiognomie und dem Erscheinungsbild historischer Persönlichkeiten, die sich nur mehr auf der Basis überlieferter Zeugnisse nachempfinden und gestalten lassen, hat sich Thomas Jastram mehrfach kreativ auseinandergesetzt, beispielsweise bereits 1990 bei seinem Hugo-Grotius-Relief. Jetzt widmet er sich dem aufwendigen Unterfangen, dem niederdeutschen Dichter Fritz Reuter für den nach ihm benannten Rostocker Stadtteil ein neuerliches Denkmal zu setzen. Bei der leicht überlebensgroßen Bronze kommt es ihm gewiss darauf an, die geistige und auch physische Präsenz, die Attributen der Lebensweise des 19. Jahrhunderts verhaftet ist, mit heutiger Anschauung zu verknüpfen. Das heißt: Nähe und Distanz sollen sich tunlichst die Waage halten, für diesen Bildhauer eine hinzugewonnene Erfahrung, die sein weiteres Schaffen fraglos bereichern wird.


Detlef Hamer